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Eintauchen in die jüdische Geschichte Erfurts | Die virtuelle Rekonstruktion der Großen Synagoge (1884–1938)

500 Menschen fasste die prächtige Synagoge, welche die jüdische Gemeinde 1884 am Kartäuserring (heute Juri-Gagarin-Ring/Max-Cars-Platz) einweihen konnte. Ihr Bau war ein Meilenstein für die deutsch-jüdische Geschichte der Stadt: Die wachsende Gemeinde, deren Mitglieder nun endlich die politische Gleichstellung erreicht hatten, war ein Teil des gesellschaftlichen Aufbruchs am Ende des 19. Jahrhunderts geworden, der Erfurt zu einer modernen Großstadt aufsteigen ließ. 


Erst seit wenigen Jahrzehnten durften Jüdinnen und Juden damals wieder in der Stadt leben, die ihnen 350 Jahre eine Ansiedlung verwehrt hatte. Gegen Antisemitismus und Ausgrenzung sandte die jüdische Gemeinde nun eine selbstbewusste Botschaft für Weltoffenheit und Begegnung mit der Inschrift über ihrem Synagogenportal: „Mein Haus soll ein Gebetshaus für alle Völker genannt werden“.


Von jüdischen Familien geschaffene Bauten prägen bis heute das Stadtbild Erfurts, wie zum Beispiel das Kaufhaus Römischer Kaiser (heute Anger 1). Doch das wichtigste Gebäude im jüdischen Erfurt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Große Synagoge, wurde 1938 von den Nationalsozialisten geplündert und in Brand gesteckt.


Die Zerstörung dieses G´tteshauses* war der Beginn der Vernichtung des jüdischen Lebens in der Stadt. Wenige Überlebende der Shoah errichteten 1952 am selben Ort die Neue Synagoge, heute der Mittelpunkt einer lebendigen Gemeinde.

* Die Schreibweise G´tt respektiert die jüdische Praxis, den Namen G´ttes  aus Ehrfurcht nicht zu schreiben.


Eine außergewöhnliche Begegnung mit Geschichte und Gegenwart


54 Jahre war die Große Synagoge für viele Menschen ein wichtiger und lebendiger Ort des Glaubens und der Begegnung. Nach der Zerstörung blieben als Beleg für ihre bauliche Gestalt nur historische Gemälde, einige Fotos in Schwarz-Weiß, einzelne Zeitzeugenberichte und die Baupläne. Diese wenigen Hinweise bildeten – gemeinsam mit Befunden aus der Forschungsliteratur und einem intensiven Austausch mit der Jüdischen Landesgemeinde – die Grundlage dafür, das jüdische G´tteshaus in seinem historischen Zustand virtuell erlebbar zu machen. Neben einer akribischen Rekonstruktion der Architektur steht die multimediale Wissensvermittlung jüdischen Lebens im Zentrum.


Die virtuelle Rekonstruktion der Großen Synagoge schafft ein außergewöhnliches Erlebnis, denn Raumgefühl und Sinneseindrücke sind mit der realen Welt vergleichbar. Das Potential innovativer Technik und die Freude am Bewegen in einer virtuellen Welt stehen nicht im Widerspruch zur Vermittlung und Reflexion historischen Wissens. Im Gegenteil: Die virtuelle Rekonstruktion macht die Vergangenheit zu einem Teil unserer Gegenwart und schafft damit ein kritisches Geschichtsbewusstsein für den kulturellen Reichtum jüdischen Lebens, die Verluste durch den Nationalsozialismus und die wieder zunehmenden Gefahren von Rechtsextremismus und Antisemitismus heute. An einem herausragenden Beispiel der Erfurter Stadtgeschichte wird konkret, was Vielfalt, Demokratie und Menschenrechte für die Menschen und die Gesellschaft bedeuten.


Was erwartet Sie in der virtuellen Rekonstruktion?


Modernste Technik macht es nun möglich, die virtuell rekonstruierte Große Synagoge wieder besuchen zu können. Sie setzen sich eine VR-Brille auf und begeben sich in eine Virtual-Reality-Umgebung. Im Gehen, Stehen oder im Sitzen können Sie die gesamte Synagoge erkunden und dabei Ihrer Neugier und Ihren Interessen folgen. Die Bedienung des Handcontrollers, die Bewegung in der VR und die Interaktion mit Objekten lernen Sie in einer Einführungsstation. Darüber hinaus erhalten Sie Unterstützung durch geschultes Personal. Die virtuelle Rekonstruktion ist für Menschen jeden Alters geeignet und kann auch im Rollstuhl genutzt werden. Über die Zeit, die Sie in der Brille verbringen, entscheiden Sie selbst. Die Nutzung aller Informationsangebote in der VR dauert ca. 45–60 Minuten. 


Sie können sich im Außenbereich, im Erdgeschoss mit Vor- und Hauptraum, vor dem Toraschrein, auf den Treppen, auf der Frauenempore und auf dem Dachboden das Gebäudes umschauen. An neun Wissensstationen stehen Ihnen mehrere einzeln abrufbare Informationsangebote zu Architektur und Leben in der Synagoge zur Verfügung. In Bildern und Geschichten begegnen Ihnen Menschen, die in dieser Synagoge gewirkt und das Gemeindeleben mitgestaltet haben. Sie erleben eine Toralesung und Musik, die in der Synagoge gesungen und auf der Orgel gespielt wurde. Sie benötigen kein Vorwissen, um die Geschichten in der Synagoge zu verstehen: Die Wissensstationen vermitteln Ihnen grundlegende Informationen über das Judentum, die älteste Weltreligion, die nur einen allumfassenden G´tt verehrt, und sie berichten darüber, wie die Jüdinnen und Juden in Erfurt ihre Religion ausübten.


Wo stehen die VR-Brillen zur Verfügung?
Imagefilm der Stadt Erfurt zur VR der Großen Synagoge
Flyer zu Inhalten und Nutzung der VR der Großen Synagoge
Plakat zur VR der Großen Synagoge
Instagram-Kanal juedisches_leben_in3d
Zur Projektwebsite der Universität Erfurt
Pressemitteilung

Impressionen der Pressekonferenz vom 01.09.2021
Begrüßung durch den Landesrabbiner Alexander Nachama © Stadtverwaltung Erfurt, Foto: Boris Hajduković
Projektvorstellung durch PD Dr. Annegret Schüle © Stadtverwaltung Erfurt, Foto: Boris Hajduković
Grußwort des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow © Thüringer Staatskanzlei
Grußwort von Dr. Tobias J. Knoblich, Beigeordneter für Kultur und Stadtentwicklung © Thüringer Staatskanzlei
Die Projektpartner*innen © Stadtverwaltung Erfurt, Foto: Boris Hajduković
Ministerpräsident Bodo Ramelow in der VR-Anwendung der Großen Synagoge © Stadtverwaltung Erfurt, Foto: Boris Hajduković

Ein Kooperationsprojekt

Gefördert durch: Freistaat Thüringen – Staatskanzlei


Projektleitung

  • Landeshauptstadt Erfurt, Geschichtsmuseen | PD Dr. Annegret Schüle


Projektpartner

  • Universität Erfurt | Prof. Dr. Christiane Kuller, Prof. Dr. Patrick Rössler
  • Fachhochschule Erfurt | Prof. Yvonne Brandenburger, Prof. Rolf Kruse
  • Universität Jena/ThULB | Dr. Andreas Christoph, Zoe Schubert (kompakkt)

Projektmitarbeiter*innen 

Bereich Geschichte

  • Lisa Caspari, M.A. 
  • Susan Goldammer, M.A. 
  • Christian Hermann, M.A. 

Bereich VR-Rekonstruktion

  • Luiz Killi, M.A. 
  • Aditya Madawana, M.Sc. 
  • Tim Röser, B.Sc. 

Bereich Web-3D-Modell

  • Daniel Pelz, B.A. 

Instagram-Kanal juedisches_leben_in3d

  • Nora Wunderwald, B.A.