Bar Mizwa / Bat Mizwa
Die religiöse Volljährigkeit oder Mündigkeit von Mädchen und Jungen wird mit dem Ritual Bar Mizwa bzw. Bat Mizwa gefeiert. Mädchen werden nach dem 12. Geburtstag und Jungen nach dem 13. Geburtstag zur „Tochter des Gebots“ (Bat Mizwa) oder zum „Sohn des Gebots“ (Bar Mizwa) und übernehmen ab diesem Zeitpunkt alle religiösen Rechte und Pflichten. Nun gehören sie zur jüdischen Gemeinschaft und zählen zur Gemeinschaft der Zehn (Minjan), die nötig ist, um einen Gemeindegottesdienst in der [Synagoge][1] zu feiern. Erste schriftliche Hinweise auf dieses Ritual gibt es aus dem Mittelalter, aber laut einer alten Überlieferung wurde das Fest schon im 1. Jahrhundert u.Z. in Jerusalem begangen. Zur Vorbereitung der religiösen Zeremonie erhalten die Jugendlichen einen speziellen etwa einjährigen Unterricht, der sie darauf vorbereitet, einen [Tora][2]-Abschnitt zu lesen und andere religiöse Pflichten zu erfüllen. Manche jüdischen Jugendlichen müssen dafür erst Hebräisch lernen.
In der Synagoge wird die Zeremonie am [Schabbat][3] nach dem jeweiligen Geburtstag vorgenommen. Dann wird der / die Jugendliche zum ersten Mal nach vorn gerufen, spricht die Segenssprüche über die Tora, liest einen Abschnitt aus der Tora oder den entsprechenden Prophetenabschnitt vor und hält eine kurze Rede. Ein Fest mit der Gemeinde und der Familie schließt sich an.
Im orthodoxen Judentum wird die Bat Mizwa von Mädchen zwar speziell gewürdigt, eine Zeremonie wie die für Jungen gibt es aber nicht. Oft wird die Bat Mizwa nur zu Hause begangen. In liberalen jüdischen Gemeinden aber wird auch ein Mädchen zur Toralesung aufgerufen. Dort gibt es sogar [Rabbinerinnen][4], die Gemeinden leiten.
Beerdigung und Trauerriten
Liegt ein Mensch im Sterben, spricht man im Judentum für oder mit dem/der Sterbenden das Sündenbekenntnis „Widuj“ und das „Schma Jisrael“ aus 5. Buch Mose 6,4ff, das ähnlich dem christlichen Glaubensbekenntnis die Grundlagen des Glaubens zusammenfasst: „Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige (ist) einzig.“ Wenn die Person verstorben ist, bedeckt man die Augen des/der Toten mit einem weißen Tuch und zündet eine Kerze an. Danach werden Männer oder Frauen aus der Gemeinde gerufen, die den Toten oder die Tote rituell reinigen und in weiße Kleider hüllen. Der/die Tote wird in einen schlichten Sarg gelegt, vielleicht wird ein Säckchen Erde aus Israel hinzugefügt. Das soll die Sehnsucht nach Israel und [Jerusalem][1] verdeutlichen, auch weil dort nach der Überlieferung die Auferweckung der Toten beginnen wird (und der/die Verstorbene somit zu den „Ersten“ gehören wird). Manchmal werden die Augen mit Tonscherben bedeckt. Wenn möglich, findet die Beerdigung innerhalb von 24 Stunden statt. Auf dem [Friedhof][2] beginnt die Trauerfeier mit Gebeten, gesungen wird nicht. Der [Rabbiner][3] oder die Rabbinerin und manchmal auch andere Personen halten Trauerreden. Als Ausdruck der Trauer reißen die Angehörigen ein Stück ihrer Kleidung ein. Danach führt ein Trauerzug zum frisch ausgehobenen Grab. Der Sarg wird hineingelassen und alle Anwesenden geben drei Schaufeln Erde hinzu, während sie den Satz „Du bist Erde und sollst zu Erde werden“ sprechen. Psalm 16 und das Heiligungsgebet Kaddisch schließen die Trauerfeier ab. Feuerbestattungen sind unüblich, auch Aufbahrung oder Einbalsamierung werden nicht durchgeführt. Nach der Beerdigung beginnt die Totenwache, die „Schiwa“ genannt wird und sieben Tage andauert. Die Trauernden sind in dieser Zeit aller Verpflichtungen entbunden: sie müssen nicht arbeiten, keine Körperpflege betreiben, nicht zur [Synagoge][4] gehen. Besucher kommen in das Trauerhaus und begleiten die Familie für eine Weile, sie kondolieren und bringen fertig zubereitete Mahlzeiten. Alle Spiegel sind verhängt, damit sich die Trauernden nicht um ihr Aussehen sorgen, sondern nur um das Gedenken an den Verstorbenen. Nur der [Schabbat][5] unterbricht die Trauerwoche.
Je nach Verwandtschaftsgrad wird die Trauerzeit nach einer Woche, einem Monat oder einem Jahr mit einer Gedächtnisfeier beendet. Die Trauerzeit endet spätestens nach einem Jahr, der sogenannten „Jahrzeit“. Jeweils am Todestag soll das „Kaddisch“ erneut gesagt und das Grab besucht werden. Einzelne Trauerbräuche richten sich nach den Traditionen in den Familien, sie können regional unterschiedlich sein und sich aufgrund der Frömmigkeit der Trauernden unterscheiden.
Beschneidung
Nach jüdischem Recht wird man als Jude geboren, wenn man eine jüdische Mutter hat. Konversionen zum Judentum sind eher selten. Juden beschneiden ihre Söhne am 8. Tag nach der Geburt und folgen damit dem biblischen Aufruf in Gen 17,10, den Bund mit Gott durch diesen Akt zu besiegeln. Die Beschneidung (hebräisch „Brit Mila“) symbolisiert den Bund zwischen Gott und Abraham bzw. Gott und Gottes Volk. Sie markiert den Eintritt in die jüdische Gemeinschaft und ist identitätsbestimmend. Sogar in der Zeit des Nationalsozialismus, als die Beschneidung als Zeichen der Religionszugehörigkeit vielleicht auch das Todesurteil bedeuten konnte, wurden jüdische Jungen weiterhin beschnitten, um das Gebot Gottes einzuhalten. Heute wird die Beschneidung von einem ausgebildeten Spezialisten, dem „Mohel“, durchgeführt. Sterile Bedingungen sind Voraussetzung. Die Beschneidung wird in allen Schichten des Judentums durchgeführt und meist auch in jüdischen Familien vorgenommen, die eigentlich säkular leben, also keine anderen jüdischen Bräuche einhalten. Zeitgleich mit der Beschneidung erfolgt die Namensgebung der männlichen Neugeborenen. Im modernen Judentum gibt es eine Diskussion darüber, wie Mädchen auf eine ähnlich bedeutungsschwere Weise in das Judentum eingeführt werden können, bezieht sich der Bund Gottes doch auf Männer und Frauen. Traditionell wird ein Mädchen am ersten [Schabbat][1]gottesdienst nach ihrer Geburt mit ihrem Namen versehen, manchmal auch am ersten Schabbatgottesdienst, bei dem die Mutter nach der Geburt wieder anwesend sein kann. Viele Gemeinden begehen diesen Gottesdienst in der [Synagoge][2] besonders festlich, um es den Familien mit neugeborenen Mädchen zu ermöglichen, die Geburt einer Tochter besonders zu feiern. Reform-[Rabbinerinnen][3] fordern aber immer wieder, dass jüdische Rituale auch deutlicheren Eingang in den Lebenszyklus von Mädchen und Frauen finden und schlagen zum Beispiel vor, dass neugeborene Mädchen das Ritual der Fußwaschung (hebräisch „Brit Rechiza“) nach Gen 18 durchlaufen. Seit etwa einem Vierteljahrhundert führten erste amerikanische Reformgemeinden dieses festliche und in der [Tora][4] verankerte Ritual ein. Inzwischen hat es sich auch in israelischen und osteuropäischen Reformgemeinden verbreitet.
Hochzeit
Bei der Eheschließung unterzeichnet im [orthodoxen][1] Judentum allein der Bräutigam und im nicht-orthodoxen Judentum sowohl Braut als auch Bräutigam einen Ehevertrag, die Ketuba, im Beisein zweier Zeugen. Danach wird das Paar unter einem Baldachin, der „[Chuppa][2]“, getraut. Zur Trauung gehören Segenssprüche, das Überstreifen eines Rings an die Hand der Braut (im orthodoxen Judentum) oder das Austauschen von Ringen (im nicht-orthodoxen Judentum) sowie das Verlesen des Ehevertrags. Nach weiteren sieben Segenssprüchen unter dem Baldachin zertritt der Bräutigam ein Glas, was an die Zerstörung des [Tempels ][3]in [Jerusalem][4] erinnern soll. Ein ausgelassenes Fest der beiden sich vereinigenden Familien folgt. Im Judentum ist die Scheidung möglich. Sie wird rituell als Scheidungszeremonie durchgeführt und unterscheidet sich von der zivilen Scheidung.
Koscher
Koscher bedeutet „rein“ oder auch „erlaubt“ und beschreibt die Voraussetzungen für den Verzehr von Speisen im Judentum. Diese Voraussetzungen, in ihrer Gesamtheit _Kaschrut_ genannt, sind vielfältig und werden bis heute diskutiert und ausgelegt. Wie streng man sie einhält und auslegt, liegt an der Frömmigkeitsrichtung der Familie und hängt von individuellen Details ab.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass der Genuss von Blut verboten ist, weil man nach jüdischer Auffassung der Meinung ist, dass die Seele des Tieres im Blut lokalisiert ist. Deshalb werden Tiere nach der jüdischen Schlachtmethode, dem sogenannten Schächten, geschlachtet. Außerdem sind nur Säugetiere zum Verzehr geeignet, die Wiederkäuer sind und gespaltene Hufe haben, also Rind, Lamm und Ziege, nicht aber das Schwein. Geflügel ist koscher, nicht aber Raubvögel. Fische sind koscher, wenn sie Schuppen und Flossen haben, nicht aber Raubfische, Schalentiere und Meeresfrüchte.
Außerdem verzichtet man im Judentum auf den gemeinsamen Genuss von Milch- und Fleischprodukten und wartet einige Stunden, um die jeweils andere Speise zu essen, sodass sich Fleisch und Milch nicht im Magen treffen. Diese Regel wirkt sich bis in den jüdischen Haushalt aus, denn dort gibt es meist getrenntes Geschirr, Töpfe und Besteck für Milchiges und Fleischiges, manchmal sogar getrennte Kühlschränke.
Neben den Kategorien milchig und fleischig gibt es eine dritte Kategorie von Speisen, die als neutral gelten (_parwe_). Dazu gehören Eier, Gemüse und Früchte. Diese können sowohl mit milchigen als auch mit fleischigen Speisen verzehrt werden.