Erfurt

Beschreibung

Die ersten Zeugnisse jüdischen Lebens in Erfurt lassen sich mit dem Bau der ersten nachgewiesenen Synagoge im späten 11. Jahrhundert nachvollziehen. Die mittelalterlichen jüdischen Wohnviertel lagen unmittelbar im Stadtzentrum, zwischen Rathaus, Krämerbrücke und Michaeliskirche. In unmittelbarer Nähe befand sich auch eine Mikwe, der Friedhof der Gemeinde lag am Moritztor. Die europäische Judenverfolgung erreichte im März 1349 auch Erfurt: Die jüdische Gemeinde Erfurts wurde in jenem Pogrom vollständig ausgelöscht, etwa 900 Menschen starben. Die alte Synagoge wurde als Lagerhaus umgenutzt. Ab 1354 liessen sich erneut Juden und Jüdinnen in Erfurt nieder, keine 100 Jahre später verschärfte sich die antisemitische Stimmung. Der städtische Rat kündigte den Judenschutz auf und zwang die jüdische Gemeinde zur Abwanderung. Die jüdischen Wohnhäuser wurden verkauft, die Synagoge zum Zeughaus umgebaut und der Friedhof eingeebnet. Im 18. Jahrhundert siedelten sich erstmals wieder jüdische Menschen in der Stadt Erfurt an. Gegen Zahlung eines Leibzolls erhielten sie ein kurzzeitiges Aufenthaltsrecht. Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich eine bedeutende jüdische Gemeinde. Der Friedhof befand sich zunächst an der heutigen Cyriakstraße, später wurde aus Platzmangel der Neue Friedhof angelegt, der noch heute der Gemeinde als Begräbnisplatz dient. Als Bethaus wurde erst ein privates Wohnhaus an der Stadtmünze benutzt, das 1840 durch eine neue Synagoge an derselben Stelle ersetzt wurde. Als auch diese Synagoge zu klein wurde, wurde eine grosse Synagoge 1884 am Kartäuserring (heute: Juri-Gagarin-Ring) erbaut. In der Pogromnacht 1938 wurde die Erfurter Synagoge geplündert und niedergebrannt. Wohnungen, Gewerbe und Friedhöfe wurden verwüstet. Die Turnhalle der Oberrealschule, Meyfartstraße, diente in jener Nacht als Sammelpunkt für annähernd 200 Männer, die in das KZ Buchenwald verschleppt wurden. Am 6. April 1939 gingen sämtliche Grundstücke der ehemaligen Synagogengemeinde in das Eigentum der Stadt Erfurt über. Nur wenige Juden und Jüdinnen überlebten das Dritte Reich und kehrten 1945 aus dem KZ Theresienstadt nach Erfurt zurück. Max Cars, ein Überlebender aus dem KZ Theresienstadt, stand 1945 bis 1961 der wieder gegründeten jüdischen Gemeinde vor. Die Gemeinde erhielt das Gelände der ehemaligen grossen Synagoge zurück und erbaute an derselben Stelle eine neue Synagoge. Zu der Zeit verliessen etwa zwei Drittel aller in der DDR lebenden Juden ihre Heimat, in Thüringen überdauerte lediglich die Gemeinde Erfurt die Abwanderung. Seit 1990 verzeichnet die Erfurter Gemeinde einen Zuzug an Mitgliedern, hauptsächlich aus den Staaten der ehemaligen UdSSR. Heute zählt die Jüdische Landesgemeinde Thüringen ca. 800 Mitglieder, darunter 500, die in Erfurt leben.